Predigt von Pfarrer Daigeler zum 27. Sonntag im Jahreskreis C - Erntedank
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele Menschen können sich wohl die Worte des Propheten Habakuk zu eigen machen: „Warum lässt du mich die Macht des Bösen sehen und siehst der Unterdrückung zu?“ Die Worte der Lesung aus dem Alten Testament sind Jahrhunderte alt und doch zeitlos. Wie viel Rücksichtslosigkeit, Gewalt und Krieg sehen wir in unserer Umgebung und in der großen Welt… Und manchmal scheint es doch wirklich so zu sehen, als ob Gott nur „zuschauen“ würde. Warum gebietet denn der, den wir den „Allmächtigen“ nennen, nicht dem Bösen Einhalt?
Zahlreiche Antworten werden auf diese Frage gegeben. Einige bezweifeln, ob es ihn denn überhaupt gibt, diesen Gott. Andere stellen seine Allmacht in Frage: Es mag ihn ja geben, aber er hält sich doch raus aus dem Lauf der Welt und ihren Gesetzen. Wieder andere führen wohlmeinend die Freiheit, die Gott dem Menschen lässt, als Grund für das Leiden an. Das ist ein berechtigter Aspekt, aber was hilft das den vielen unschuldigen Opfern?
Die Antwort, die Habakuk erhält, ist ja nur bedingt eine Antwort. Es wird nicht dieser oder jener Grund genannt, vielmehr erinnert das Wort Gottes daran, dass wir Menschen letztlich nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zu sehen vermögen und darum unser Verstehen ebenso begrenzt ist. Gott wird handeln, hieß es dort – zu seiner Zeit und nach seiner Art.
Sagen wir es offen: Wir können nicht alles erklären. Das sehen wir auch am heutigen Erntedankfest. Natürlich wissen wir Vieles über Aussaat und Ernte, über die Bedingungen, die für ein gutes Wachsen förderlich sind, über die menschliche Arbeit, die notwendig ist, damit wir ausreichend Nahrung haben. Und dennoch erklärt das noch nicht alles, warum wir ausreichend oder gar im Überfluss haben und andere hungern. Umso dankbarer dürfen wir heute sein gegen Gott, den Geber alles Guten, für all die Gaben seiner Schöpfung.
Diese Haltung entspricht dem, was Jesus unter Glauben versteht. Offen wird gesagt, dass auch der Glaube der Jünger angefochten oder bedroht war. So flehen sie: „Herr, stärke unseren Glauben“. Eine wunderschöne Bitte! Wir dürfen sie uns zu eigen machen. Sie hilft uns auch, der Eingangsfrage weiter nachzugehen. Denn was ist Glaube, genauer christlicher Glaube?
Christlicher Glaube ist nicht einfach ein Bauchgefühl: Irgendwas muss das schon sein über uns… Oder am Ende wird alles gut… Christlicher Glaube ist die Zustimmung, des Herzens und des Willens zu dem, was Gott uns gesagt und mitgeteilt hat. Der Glaube entspringt nicht unseren Gedanken, sondern er ist das Anerkennen, dass wir Gottes Gedanke sind. Wir glauben als Christen, dass Gott nicht fremd oder teilnahmslos ist. Ihm liegt die Welt am Herzen, darum hat er sie erschaffen mit all den Gaben seiner Schöpfung. Wir glauben auch, dass wir Menschen ihm am Herzen liegen, darum hat er in Jesus, seinem Sohn, unser Leben geteilt. Jesus ist die Antwort – auch auf die Frage nach dem Leiden. Wenn doch unser Glaube nur so groß, wie ein Senfkorn wäre, würden wir es verstehen. Denn Gott hat dem Bösen tatsächlich eine Grenze gesetzt: seine Barmherzigkeit! Wer Christus glaubt, der weiß, dass er nie allein ist – auch nicht in der traurigsten Stunde. Wer ihm glaubt, der erfährt, dass der Herr jedes Kreuz mit uns trägt. Wer Jesus glaubt, der weiß, dass weder Leiden noch Tod das letzte Wort haben, sondern das Leben. Gott ist ein Gott des Lebens, das feiern wir heute dankbar. Amen.
05.10.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler