Predigt von Pfarrer Daigeler zu Pfingsten
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, der heilige Papst Johannes XXIII. sagte bei der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 1962, dass es auch in der Kirche Menschen gebe, die meinen, „in den heutigen Verhältnissen … nur Untergang und Unheil zu erkennen“. Manchmal ist tatsächlich auch heute unter Christen zu hören: Unsere Zeit sei ein Verfall im Vergleich zur Vergangenheit. Alles in der Kirche werde immer weniger und schlechter…
Der Papst verwies damals als Antwort auf die Geschichte als „Lehrmeisterin des Lebens“. Die Geschichte lehrt: Es hat immer Höhen und Tiefen gegeben. Geschichte verläuft nie einfach linear. Vielmehr dürfen wir vertrauen, was Papst Johannes vor mehr als 60 Jahren sagte: Auch in der gegenwärtigen Entwicklung – so herausfordernd sie auch sein mag – dürfen wir nicht vorrangig das Unheil sehen, sondern „viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen“. Denn Gott „verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten … sein eigenes Ziel, und alles … lenkt er weise zum Heil der Kirche.“
Ist das nicht eine naive Vorstellung? Sind denn die großen Hoffnungen des Papstes für die Erneuerung der Kirche Wirklichkeit geworden? Steht die Kirche zumindest in Mitteleuropa nicht ziemlich ramponiert da, sodass keiner mehr auf ihre Zukunft wetten würde?
Menschlich und weltlich betrachtet mag das so sein. Doch wir feiern heute Pfingsten. In gewisser Hinsicht kann man dieses Fest als „Geburtstag“ der Kirche bezeichnen, denn die Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet uns von einer entscheidenden Wende. Obwohl Jesus mehrfach den „Beistand“, seinen bestärkenden Geist, zugesagt und angekündigt hat; obwohl die Jünger vom Auferstandenen mit dem Geist angehaucht wurden, sind sie dennoch verunsichert. Sie verschließen sich in einem Gebäude. Sie glauben, die „gute, alte Zeit“, die Zeit mit Jesus an ihrer Seite sei vorbei. Und genau darum wissen sie nicht mehr weiter. Doch es geschieht etwas Überwältigendes. Auch die Bibel kann das nur in Bildern beschreiben: Sturm und Feuer. Doch der Geist Gottes hat eine solche Kraft, dass Petrus auf einmal erkennt: Nicht im Gestern liegt meine Aufgabe, sondern hier und heute ist sie. Und diese Aufgabe ist das, was Jesus gesagt hat: Ihm nachfolgen, ihm vertrauen und alle Menschen einladen, seine Jünger zu werden.
Als Petrus und die anderen Jüngern das begreifen und tun, schließen sich ihnen zahlreiche Menschen an. 3000 heißt es in der Ersten Lesung.
Pfingsten will uns Mut machen. Der Heilige Geist erinnert uns an den Auftrag, den wir als Christen von Jesus haben. Er ist unser Weg – nicht nur früher, ebenso heute und zu jeder Zeit. Wir dürfen als Christen nicht einstimmen in das allgemeine Jammern und Verzagen. Wir wollen Menschen der Hoffnung und der Zuversicht sein, weil wir durch Jesus Gott kennen. Weil wir von Jesus wissen, dass Gott uns kennt und liebt, dass er uns Vater sein will. Weil wir durch die Auferstehung Jesu wissen, dass Gott stärker ist als alles, was uns bedroht oder besorgt, selbst als der Tod. Wo Gott ist, da ist Zukunft!
Ganz offenkundig brauchen die Menschen auch heute diese Botschaft, die uns froh und frei macht. Unsere Gesellschaft braucht offenkundig etwas, das den Menschen neuen Mut macht, das sie über alle Unterschiedlichkeit hinweg verbindet. Wie hoch aktuell ist unsere Botschaft, ist auch die Gemeinschaft einer Kirche, die über Länder-, Sprach- und Kulturgrenzen zu verbinden vermag. Mit diesem Angebot brauchen wir uns nicht zu verstecken. Ich sehe nichts annähernd so Gutes „auf dem Markt“.
Wir folgen nicht den „Unglückspropheten“. Wir haben keine Angst vor der Zukunft. Wir folgen Jesus Christus. Wir vertrauen seinem guten und Heiligen Geist, der uns leitet und ermutigt. Um ihn bitten wir: Herr, sende aus deinen Geist und erneuere das Angesicht der Erde – dieser Erde! Amen.
19.05.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler