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Predigt von Pfarrer Daigeler zu Pfingsten C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, von einer großen Zahl von Menschen verschiedener Sprachen, die sich in Jerusalem zum Pfingstfest aufhielten, erzählt die Apostelgeschichte. Manche der aufgezählten Völker sagen uns noch heute etwas, andere sind vergessen. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen und leben nach verschiedenen Bräuchen und Sitten. Was für uns heute ein eher positiv besetztes Bild der Vielfalt ist, das war im Alten Testament eher negativ behaftet. Denken wir an die Urerzählung vom Turmbau zu Babel, ganz am Anfang der Schrift. Hier steht das Gewirr der unterschiedlichen Sprachen für die zerbrochene Einheit des Menschengeschlechts, die der Wille des Schöpfers war.

Dennoch verbindet – bei aller Unterschiedlichkeit – etwas diese Menschen. Sie folgen einer tiefen Sehnsucht. Auch damals wird die Mehrheit daheim geblieben sein, sich zufrieden gegeben haben mit dem, wie es immer schon war. Es gab aber Menschen, die sind angezogen vom Glauben Israels. Der ist eine unerhörte Provokation: Nicht die Naturgewalten, nicht ein blindes Schicksal, nicht eine kaum zählbare Zahl von Göttern soll für den Lauf der Welt verantwortlich sein, nein, ein einziger Gott. Und dieser Gott hat sich offenbart nicht in den Zentren der damaligen Welt in Ägypten, Athen oder Rom, sondern irgendwo am Rande, einem alten Mann namens Abraham.

Das ist so gegen die verbreitete Logik, dass es sich kein Mensch ausgedacht haben kann. Natürlich ist die ganze Geschichte Israels geprägt von dem Wunsch, sich doch an die Umwelt und deren Moden anzupassen. Und jedes Mal scheitert das Volk Israel damit krachend. Doch Gott wagt in seiner unermesslichen Geduld immer wieder einen neuen Anfang. Ja, er geht so weit, sich zu zeigen in einer Weise, die unüberbietbar deutlich ist: Gott wird Mensch – und zwar nicht als bloße Erscheinung oder Täuschung. Davon kennt die Antike zahllose Erzählungen. Gott wird Mensch auf die ärmste Weise, geboren in einem Stall, übersehen von den meisten Zeitgenossen, Mensch bis zur letzten Konsequenz des Todes.

Doch warum all das? Das heutige Pfingstfest sagt uns die Antwort: Gott wollte alle Menschen zu seiner Familie machen. Sein Sohn hat unter uns gelebt, damit wir durch Glaube und Taufe Kinder Gottes werden. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“, schreibt der heilige Paulus den Korinthern. Und das ist keine bloße Theorie. In der Kirche, die Jesus gegründet hat, soll das erfahrbar werden. Wie wir es heute vom Heiligen Geist beten: Er vereint „die vielen Sprachen im Bekenntnis des einen Glaubens“ (Pfingstpräfation). So soll es in der Kirche sein. Bei all unserer Verschiedenheit gehören wir zu einer Familie.

Und zu dieser Familie gehören wir nicht durch Geburt oder Abstammung, nicht durch Nationalität oder Beruf, sondern durch Glaube und Taufe. Und zwar nicht durch irgendeinen Glauben, denn der christliche Glaube ist nicht: „Ich halte dies oder jenes für richtig“. Christlicher Glaube bedeutet: „Jesus hat uns gelehrt, wer Gott ist und wie wir leben sollen. Darum glauben wir ihm, darum glaube ich ihm. Der Glaube der Kirche ist also nicht so zuerst, dass wir etwas, sondern dass wir jemandem glauben. „Der Beistand aber, der Heilige Geist …, der wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“, sagt der Herr.

Das, was am ersten Pfingstfest in Jerusalem begonnen hat, soll weitergehen durch die Jahrhunderte in der Kirche Christi. Aber für die gilt, was uns die Geschichte des Volkes Israels lehrt: Es gibt immer die Versuchung, sich an Moden und Meinungen anzupassen: „Heute ist das nicht mehr so… Das machen die anderen doch auch…“ Dieser Weg wird uns nicht weiterführen. Wir haben einen klaren Auftrag, der uns überhaupt erst zur Kirche macht: Wir dürfen „seine großen Taten verkünden“. Wir sollen Zeugen sein, dass der eine und wahre Gott sich uns Menschen gezeigt und dass er uns in Jesus, seinem Sohn, gezeigt hat, wie das Leben gelingt, ja mehr noch, wie wir das ewige Leben finden. Amen.

08.06.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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