logo pg liborius wagner Stadtlauringen

Predigt von Pfarrer Daigeler zum 26. Sonntag im Jahreskreis B

Download Audiodatei der Predigt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „follow the science“, lautet ein Schlachtruf in der sogenannten Klima-Krise. Auch in anderen Krisen wird dieser Ruf laut: Man solle doch „einfach“ der Wissenschaft folgen… Nur wird dabei oft übersehen, dass „die“ Wissenschaft kein monolithischer Block ist. Es gibt ja verschiedene Wissenschaftsfelder und zudem unterschiedliche Methoden innerhalb der einzelnen Bereiche. Das ist keine Kritik. Im Gegenteil, der menschliche Geist und wissenschaftliches Forschen haben uns große Errungenschaften gebracht. Aber jede Forschung bietet jeweils nur einen „Baustein“ eines ungleich größeren Ganzen an. Jeder redliche Wissenschaftler wird das auch zugeben. Es gibt nicht so etwas wie eine „Weltformel“, mit der ein Problem gänzlich oder gar alle Probleme gelöst werden können. Es gibt stets Aspekte einer Herausforderung, die übersehen oder zu wenig gewichtet werden. Das ist menschlich. Darum wäre die Anerkennung unserer Grenzen, auch der Grenzen unseres Könnens und Verstehens ein guter Einstieg für gelingenden Dialog, für das gemeinsame Suchen nach Lösungen, für die Überwindung von Spaltungen…

Warum erzähle ich das? Ähnliche Versuchungen gibt es ja auch im Glauben und in den Diskussionen, die die Kirche in unserem Land bewegen. Da gibt es auch einige, die sagen: „follow the science“, nur dass sie damit oft den Zeitgeist meinen. Sie fordern: Wir müssen „anschlussfähig“ bleiben oder werden an die heutige Zeit. Nun ist auch das wiederum schwer zu fassen. Was denn die Menschen unserer Zeit wollen oder suchen, ist ja keineswegs einheitlich. Ebenso ist es schwierig methodisch zu fassen. Und auch Gruppen und kirchliche Gemeinschaften, die sich mehr den öffentlich geäußerten Wünschen der Zeit angepasst haben, erfahren offenkundig nicht mehr Zuspruch an Kirchenbesuch oder ehrenamtlicher Beteiligung…

Andere sagen: „Jesus würde heute so oder so handeln…“ Das ist freilich schwer zu belegen, denn selbst die Heilige Schrift liefert uns kein einfaches Rezept im Sinne von: „Mach es so oder so…“ Das heutige Evangelium enthält beispielsweise eine lebendige Spannung. Zunächst sagt Jesus seinen Jüngern, dass es auch Spuren Gottes außerhalb ihrer Gemeinschaft gibt. Er lädt also durchaus zu einer offenen und dankbaren Haltung ein. Dort, wo Menschen Gutes tun, ist Gott am Wirken – unabhängig ob sie Jünger Jesu sind. „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Doch schon in den nächsten Sätzen wird Jesus ungeheuer radikal: Wenn Hand, Fuß oder Auge zum Bösen verführen, sollen sie abgehackt oder ausgerissen werden. Also nur die radikale Entscheidung für das Richtige, nur die radikale Entscheidung für den Herrn führt ins Reich Gottes. Der andere Weg führt in die Hölle. So ist es zu lesen.

Nicht wenige Menschen reagieren darauf mit Relativismus oder Gleichgültigkeit: „Es weiß eben keiner, was richtig oder falsch ist… Es hat doch keiner die Wahrheit gepachtet…“ Und so breitet sich der Eindruck aus, dass es überhaupt keine Wahrheit oder Klarheit gäbe.

Doch dieses Extrem ist ebenso falsch, wie die Annahme, es könnte für jede Einzelfrage 100-prozentig sichere Antworten geben. Der christliche Glaube ist vielmehr ein Weg, der Weg, auf dem wir Jesus nachgehen. Gott hat uns die Wahrheit offenbart, doch nicht als Satz oder Formel, sondern als Mensch – in Jesus, seinem Sohn. Nur der ganze Jesus ist unser Wegweiser – mit seinen ermutigenden, aber ebenso mit seinen herausfordernden Worten; mit den Predigten und Heiligungen, aber ebenso mit den klaren Grenzziehungen, die Jesus macht; mit seiner Güte, aber auch mit seiner Entschiedenheit, die ihn schließlich ans Kreuz gebracht hat. Jesus war nicht „angepasst“ oder „anschlussfähig“. Er war gehorsam – bis zum Tod. Darum hat der Vater ihn erhöht.

Damit wir den ganzen Christus im Blick behalten, hat er uns die Kirche geschenkt. Keiner kann allein glauben, keiner kann allein Jesus nachfolgen. Jeder von uns erkennt immer nur einen Teil. Darum brauchen wir die große Glaubenserfahrung der ganzen Kirche, in der unzähligen Frauen und Männer durch die Jahrhunderte Jesus nachgefolgt sind. Die Heiligen lehren uns das Evangelium. Sie zeigen uns, wie Nachfolge Jesu gelingt. Sie lehren, was sich bewährt hat oder was zwar verlockend klingt, aber doch ohne Bestand ist. Bitten wir wie Mose, dass der HERR seinen Geist auf uns alle legt, damit wir ihn erkennen, ihm in Treue folgen und so das Leben finden. Amen.

26.09.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

­