Predigt von Pfarrer Daigeler zum Ersten Weihnachtstag
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele Vorstellungen von Religion sind heute im Umlauf. Gar nicht wenige Menschen stehen dem Glauben und der Kirche heute gleichgültig gegenüber. Sie halten die Worte und Erzählungen, von denen dort die Rede ist, für veraltet, überholt oder belanglos. Andere gehen sogar in eine offene Ablehnungshaltung. Sie halten Religion für gefährlich. Sie verführe Menschen, sie leite zu Fanatismus, Intoleranz oder Hass, behaupten sie.
Die christlichen Hochfeste wollen uns in die Mitte unseres Glaubens führen. Sie zeigen uns, was die eigentliche Botschaft neben allen Missverständnissen ist. Doch was ist die Botschaft von Weihnachten? Wir feiern die Geburt Christi, antworten Sie vielleicht. Und das ist zutreffend und richtig.
Freilich ist Weihnachten mehr als ein bloßer Geburtstag einer historischen Figur namens Jesus. Um das tiefer zu verstehen, hören wir heute am Weihnachtstag den Anfang des Johannesevangeliums. Nachdem in der Heiligen Nacht die Erzählung des Evangelisten Lukas gelesen wurde, in der von Maria und Josef, vom Stall in Betlehem und von den Hirten die Rede war, steht heute Morgen ein ganz anderer Text im Mittelpunkt der Verkündigung. Es ist eine theologische Meditation über die Ursache dieser Geburt und über das Ziel dieses Geschehens. Jesus hat seinen Ursprung in Gott, heißt es zunächst: Schon im Anfang „was das Wort bei Gott“. Jesus ist dieses „Wort“. Und sein Ziel ist es, alle Menschen zu Gott zu führen: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“
Er ist der Wunsch und Wille Gottes, dass alle Menschen den Schöpfer erkennen. Darum ist das Wort „Fleisch geworden“. Gott wollte, dass sein Wort nicht nur als Idee herumschwirrt. Er wollte, dass es hörbar, greifbar, sichtbar wird. Darum ist er in seinem Sohn Mensch geworden. Darum hat er menschliche Sprache gesprochen und darum beauftragt er Menschen, sein Wort weiterzusagen bis zum heute.
Natürlich wissen auch wir als Christen, dass Worte trügerisch sein können. Es gibt große Ankündigungen, die sich als leere Versprechen herausstellen. Es gibt Worte, die Lügen sind, die herabsetzen, verletzen oder Streit säen. Einige der eingangs erwähnten Kritiker würden unseren Glauben eben in diese Kategorie einordnen.
Was sollen wir ihnen antworten? Wie soll man denn die vielen Worte unterscheiden? Wer hat recht? Der Hebräerbrief, den wir als Zweite Lesung hörten, gibt einen Rat. Gott hat auf vielfältige Weise gesprochen in der Geschichte. Und wir dürfen hinzufügen. Auf ebenso vielfältige Weise haben Menschen diese Worte aufgefasst. Wir sehen es ja an der Vielfalt von Weltanschauungen. Doch, sagt der Hebäerbrief, heute „hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“. Um die Missverständnisse auszuräumen, hat Gott uns die Botschaft und ihre Auslegung in einem vorgelegt. In Jesus fallen Botschaft und Deutung in eins, in ihm ist Sprechen und Leben ganz übereinstimmend. Er ist das Wort, das Wahrheit ist. Er spricht von Gott, der die Liebe ist, und er lebt diese Botschaft bis zur letzten Konsequenz in seiner Zuwendung zu den Armen, den Kranken und den Übersehenen und in seiner Hingabe am Kreuz. Er „entäußert“ sich, sagt die Theologie. Der Allmächtige kommt in der Wehrlosigkeit eines Kindes, in der Armut eines Stalles, in der Friedfertigkeit eines Neugeborenen, damit wir der Wahrheit seiner Botschaft trauen.
Jesus ist das Wort Gottes. Christsein ist „Nachsprechen“ dieses Wortes. Wir sind berufen, von der Botschaft der Krippe zu lernen, von dem wehrlosen Gott, der ganz und gar Wahrheit und Liebe in einem ist. Unser Leben als Christen, unsere gelebte Liebe ist das „Buch“, aus dem die Welt diese Botschaft leben soll. Was für eine große Berufung! Wir dürfen wie die Hirten Zeugen des Geschehens sein: Das Wort ist Fleisch geworden. Die gute Nachricht ist uns gesagt: Ein Sohn ist uns geschenkt, der Heiland ist Mensch geworden. Wo das durch uns hörbar und erfahrbar ist, werden die Menschen wie einst Jesaja auch heute sagen: „Wie willkommen sind die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt“. Amen.
25.12.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler