Predigt von Pfarrer Daigeler zum 4. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, nach nur sieben Sekunden haben wir uns ein Bild gemacht, wenn wir mit jemandem in Kontakt treten. Nur sieben Sekunden entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, sagen Imageberater. Sie beraten Menschen, damit sie mit ihrem ersten Eindruck punkten etwa in einem Bewerbungsgespräch. Sieben Sekunden ist nicht viel. Dann habe ich schon einen Eindruck vom anderen, der nurmehr schwer zu ändern ist.
Wenn Menschen das Wort „Kirche“ hören, haben viele bereits ein bestimmtes Bild im Kopf. Oder wenn bestimmte Personen in der Kirche, in der Politik oder auch in meiner Familie oder an meiner Arbeitsstelle genannt werden, erfolgt im Kopf umgehend eine Einordnung. Der ist so und so… Der wird das sagen… Und diese Einordnung ist folgenreich dafür, was gehört wird in den Worten, was gesehen wird in den Taten, was bei mir ankommt. Wir Menschen sind ja nicht so objektiv, wie wir es manchmal gerne wären.
Der Evangelist Lukas überliefert uns eine Predigt Jesu in seinem Heimatort Nazaret. Den Anfang haben wir schon am letzten Sonntag gehört, heute ist die Fortsetzung. In der Synagoge von Nazaret ergreift Jesus das Wort. Das darf beim jüdischen Gottesdienst jeder erwachsene Mann. Den Zuhörern gefallen die Worte Jesu. Sie sind beeindruckt, wie Jesus aus der Bibel vorliest, wie er eine Verbindung zum Heute schlägt. Sie staunen. Aber schnell ordnen sie ihn ein: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“ Anders gesagt: Den kennen wir doch. Was soll der uns Neues sagen…?
Jesus spürt diese Einordnung. Und er nennt sie beim Namen. Er legt sich sogar mit seiner Heimatgemeinde an. Er sagt, dass er hier kein Wunder wirken kann, weil die Menschen ihre Herzen zugemacht haben, weil sie sich nicht auf ihn einlassen werden. Zwei Ausländer nennt er nun, denen ein Wunder zugute kam: eine Witwe in Sarepta, den Syrer Naaman. Die Gläubigen in der Synagoge kennen die Texte des Alten Testaments, auf die Jesus anspielt. Sie verstehen sofort, was Jesus meint. Und sie reagieren empört. Sie wollen Jesus zum Schweigen bringen.
Aber warum sagt denn Jesus nicht einfach ein paar nette Worte? Etwas, mit dem alle zufrieden nach Hause gehen? Am kommenden Mittwoch feiern wir das Fest der Darstellung des Herrn (Mariae Lichtmess). Im Tempel nennt der greise Simeon den Grund: „Dieser wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ An Jesus scheiden sich die Geister, weil er der ist, der erwartet wird, aber ganz anders ist, als erwartet: Ein schwaches Kind auf dem Arm Marias, ein Handwerker, den alle für den Sohn Josefs halten, ein Verurteilter, der am Kreuz stirbt.
Keines dieser Bilder würden wir vermutlich von Gott malen. Gott ist anders, größer als all unsere Bilder. Darum hat er es nicht nötig uns seine Macht zu zeigen, indem er sich über andere erhebt. Unsere Welt liebt Menschen, die geschmeidig ins Bild passen. Das tut Jesus nicht. Das tun auch die Propheten nicht. Die Erste Lesung aus dem Alten Testament erzählt von Jeremia. Auch der legt sich mit vielen an. „Gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen das Volk auf dem Land“ mache ich dich „zur ehernen Mauer“, hieß es dort. Jeremia erinnert die Menschen an Gott, dafür muss er harte Konsequenzen erleiden.
Nicht, dass Sie mich missverstehen, nicht jeder, der sich mit anderen anlegt, spricht im Namen Gottes. Nicht jeder, der irritiert oder der heute auf Widerspruch stößt, ist ein Prophet. Dieser Umkehrschluss wäre falsch. Doch Gott fordert uns immer heraus: Nicht beim Äußerlichen stehenzubleiben, nicht dem Hörensagen zu trauen, sondern sich die Zeit nehmen hinzuhören, nachzudenken und auch dem zu vertrauen, was wir nicht sofort verstehen.
Das ist kein einfacher Weg. Es braucht die Unterscheidung: Die Jünger Jesu erfahren Widerspruch, wenn sie Fehler machen und Falsches tun. Hier braucht es Umkehr und Buße. Die Jünger Jesu erfahren aber auch Widerspruch, wenn sie seinen Spuren folgen und von Gott sprechen, von seinen Geboten… Hier braucht es Mut. Und Liebe, wie der Apostel Paulus sagt. Einzig die Liebe kann uns retten, nicht Werke, nicht Worte, nicht einmal Gebete. Einzig die Liebe. Aber wahre Liebe ist nie billig. Gott hat uns seine Liebe gezeigt, indem er sich selbst verschenkt hat. Nur die Liebe ist eine angemessene Antwort. Nur sie kann uns retten. Amen.
30.01.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler