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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 4. Fastensonntag - Lesejahr A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, unsere Welt ist zweifellos voller Bilder und Eindrücke. Inzwischen fast unabhängig vom Alter schauen wir beispielsweise mehrfach am Tag auf das Handy, um Fotos und Informationen zu sehen. Unter den verschiedenen Sinnen, mit denen wir die Welt wahrnehmen, ist das Sehen zwar nicht der einzige, doch offenbar der stärkste Impuls. Wir trauen zumeist dem, was wir sehen. Selbst wenn wir manchmal besser „unseren Augen nicht trauen“ sollten…

Die biblischen Lesungen, die wir eben gehört haben, sprechen vom rechten Sehen. Der Prophet Samuel lässt sich zunächst von der äußeren Gestalt blenden und denkt, zum König könne man nur den Größten und Stärksten salben. Oder die Menschen um den Blindgeborenen herum, sie alle haben schnelle Erklärungen: Entweder, dass dieser selber schuld sei an seiner Blindheit. Oder, als er dann geheilt ist, reden sie davon, ob er überhaupt je richtig blind gewesen sei…

Gott schaut – und dafür können wir gar nicht genug dankbar sein – anders auf diese Welt. „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz“, hieß es in der Ersten Lesung. Und auch der Gottessohn lässt sich nicht beirren von den Vorurteilen der Umstehenden. Jesus wendet sich dem Notleidenden zu und heilt ihn. Denn „er ist gekommen, damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden“, wie er sagt. Entscheidend sind also nicht die Augen, entscheidend ist das Herz. Es geht um eine Haltung. Sehen ist nicht allein ein biologischer Vorgang der Augen. Das stimmt ja nicht einmal medizinisch. Wie wir unser körperliches Sehen verarbeiten, ist immer geprägt von Vorerfahrungen und Vorannahmen. Eben darum will Jesus uns sein Sehen, das Sehen der Liebe, lehren.

Immer wieder ist in der Heiligen Schrift die Rede davon, dass Gott die Welt „sieht“, wie sie in Wahrheit ist. Etwa im Schöpfungsbericht, wir werden es in der Osternacht hören. Dort heißt es: „Gott sah, dass es gut war…“ In der Befreiungserzählung aus Ägypten sagt der Herr zu Mose: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen…“ Und der heilige Johannes beginnt den heutigen Abschnitt des Evangeliums mit den Worten: In jener Zeit „sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war…“ Dieses Sehen ist Ansehen. Es ist getragen von Güte und Erbarmen, darum richtet es auf, darum rettet es.

Doch wie können wir dieses rechte Sehen lernen? Dazu hilft uns der heilige Paulus. In seinem Brief an die Epheser fordert er alle, die Christen geworden sind, auf, dass sie nicht mehr in der Finsternis, sondern als „Kinder des Lichtes“ leben. Es liegt auf der Hand, dass wir Licht brauchen um zu sehen – aber nicht allein das Licht der Sonne oder einer Lampe, sondern ebenso das Licht des Geistes, das Paulus „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“ nennt, das Licht des Glaubens.

Und so wie das Kind sehen lernt, indem seine Eltern ihm die Dinge, die es in seinem Umfeld oder beispielsweise in einem Bilderbuch sieht, erklären und erläutern. So ist es auch mit dem Sehen der Gläubigen. Nur der beständige Umgang mit dem Guten, Gerechten und Wahren lässt uns richtig sehen, sonst trübt sich unser Blick. Nur das Sehen gemeinsam mit dem Hören auf das Wort Gottes lässt uns recht verstehen. Ja, auch wenn das altmodisch klingt, auch hier macht „Übung den Meister“. Und die Fastenzeit ist eine klare Einladung zu fragen, worauf schaue ich denn Tag für Tag? Was für Bilder sehe ich? Und wie schaue ich meine Mitmenschen an…? Mit Güte, mit Gerechtigkeit, mit Wahrhaftigkeit?

Herr, sieh uns an in unserer Schwachheit, in unserer Blindheit. Wir brauchen das Licht deiner Güte. Herr, lehre uns sehen mit deinen Augen. Amen.

27.03.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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