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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Kreuzfest

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in der Frömmigkeitsgeschichte hat das Kreuz unterschiedliches Gewicht. Es gab Zeiten, in denen ganz intensiv das Leiden Christi betrachtet wurde. Das sieht man an den religiösen Bildern und Figuren. Denken wir nur an die Feldkreuze und Kreuzschlepper in unserer fränkischen Landschaft. Und es gibt Zeiten da sind andere Aspekte des Lebens Jesu mehr im Blick. So würde ich es jedenfalls für unsere Zeit beobachten. Es liegt auf der Hand, dass es hier kein Entweder oder geben kann. Aber es stellt sich die Frage, weshalb wir das Fest der Kreuzerhöhung feiern, außer deshalb weil es nun einmal seit Jahrhunderten im Kalender steht.

Unsere Zeit hat ein großes Zutrauen in technische Möglichkeiten und medizinischen Fortschritt. So erscheinen menschliche Leiden und Krankheiten geradezu als eine Art „Betriebsunfall“. Das habe man nicht rechtzeitig erkannt oder man sei eben technisch „noch“ nicht soweit, das in Ordnung zu bringen. Freilich sind das Täuschungen. Wir können zwar mittels Bildbearbeitung Falten und Runzeln retuschieren, aber der Tatsache, dass wir verwundbare und auch endliche Wesen sind und bleiben, können wir nicht entfliehen – und werden das auch nie können.

Welche Antwort bietet uns aber der Glaube auf die Fragen von Schmerz, Leiden und Tod? Im unmittelbaren Erleben werden die Meisten wohl beten, von Schmerzen verschont oder befreit zu werden. Das ist berechtigt. Ich mache das auch. Und ich bin überzeugt, dass kein Gebet ohne Wirkung bleibt. Aber dennoch stößt unser oft sehr menschliches Rechnen hier an Grenzen. Sollte Gott mich auf meine kleine Bitte hin von meinen Zahnschmerzen befreien, aber die Rufe der Millionen von Opfern der Kriege bleiben unerhört? Sollte Gott hier eingreifen und dort nicht?

Wir können nicht leugnen, dass hier eine echte Anfrage an den Glauben im Raum steht. Die können wir auch nicht einfach ausräumen, indem wir sagen, man habe nicht genug oder mit zu wenig Glauben gebetet. Das wäre Hohn für viele Leidenden, die aus ihren Schmerzen zu Gott schreien. Wir können auch nicht einfach die Sünden der Menschen als Argument anführen. Menschliche Sünden sind zwar die Hauptursache für Leiden, für Kriege und Katastrophen, dass aber Gott nur die Sündlosen erhören und retten würde, überzeugt mich nicht.

Vor genau 800 Jahren geschah etwas auf dem Berg La Verna in Mittelitalien, was uns eine Perspektive zeigt. Der heilige Franz von Assisi hatte sich dorthin zurückgezogen, begleitet nur von einem Freund, Bruder Leone. Den so fröhlichen Bettler hatte eine tiefe Dunkelheit befallen, eine Mischung aus körperlichen und seelischen Leiden. Die Situation war so bedrückend, dass – so überliefert sein Biograph – Franziskus versucht war, sich von einem Felsen in den Tod zu stürzen. Doch um das Kreuzfest des Jahres 1224 geschah etwas, für das Franz auch später kaum Worte fand. Es kam zu einer tieferen Berührung mit dem Leiden Christi, mit dem Kreuz des Herrn. So tief, dass die Wunden Jesu fortan am Leib des heiligen Franz sichtbar waren. Wir sprechen auch von Stigmata.

Die Antwort, die uns der Glaube gibt, ist der Blick auf den Gekreuzigten. Franziskus wird nicht einfach „geheilt“, wie wir es verengt medizinisch definieren würden. Er trägt weiter Wunden, sogar neue Wunden. Aber er hat eine neue Gewissheit, wie wir sie eben im Evangelium aus dem Mund Jesu hörten: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ Das Kreuzfest lehrt uns, nicht in unseren kleinen Kategorien zu verharren, sondern fester zu vertrauen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zu Guten führt. Aber der Weg dorthin führt über das Kreuz, führt über die Erniedrigung, wie es Paulus im Philipperbrief besingt. Wenn das für Jesus, unseren Meister, gilt, wie sollte es für uns, seine Jünger, anders sein?

Wir dürfen und sollen in allen Leiden beten und auf Gottes Hilfe vertrauen. Vor allem aber wollen wir auf den Gekreuzigten blicken, den der Vater nie aus seiner Hand gelassen hat, den der Vater durch den Tod ins Leben getragen hat. Der heilige Papst Johannes Paul II. betete auf dem Berg La Verna zum heiligen Franz: „Allen vom Leid, vom Hunger und vom Krieg Gekreuzigten öffne wieder die Pforten der Hoffnung.“ Das ist auch unsere Bitte heute, dass sich allen Leidenden die Pforte der Hoffnung öffne. Amen.

15.09.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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