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Predigt von Pfr. Daigeler zum 29. Sonntag im Jahreskreis A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, häufig werden heute Sachverhalte in Extrempositionen dargestellt, in „Alternativlosigkeiten“. So als gäbe es beispielsweise nur die vollständige Isolierung sämtlicher Menschen oder die gänzliche Leugnung eines Virus. Nur in wenigen Fällen helfen solche extremen Gegenüberstellungen weiter. Das begegnet auch im Gottesglauben. Es gibt auf der einen Seite eine Vorstellung von Gott, der letztlich nur ein höheres Wesen ist, der über allem schwebt, aber letztlich mit nichts Konkretem in unserer Welt etwas zu tun hat. Und dann gibt es die andere Vorstellung, dass Gott alles bis ins Detail bestimmen würde, die Menschen also nur „ausführende Organe“ in einer Art Uhrwerk wären. Beide Positionen überzeugen nicht. Die eine nimmt Gott nicht ernst, die andere den Menschen nicht.

Die biblische Sichtweise verrennt sich nicht in nutzlosen Gegensätzen. Sie versucht vielmehr eine gegenseitige Ergänzung aufzuzeigen. Im Evangelium hörten wir von einer Falle, die man Jesus stellen will. Er soll sich klar positionieren: Steht er auf der Seite der jüdischen Religion oder auf der Seite der Römer? Doch Jesus läuft nicht in diese Falle. Er antwortet nicht mit einem „Entweder oder“, sondern mit einem „Sowohl als auch“. Die Gebote Gottes gelten. Da ist Jesus klipp und klar. Kein Jota darf der Mensch an ihnen ändern. Doch das entbindet den Menschen nicht von seiner Eigenverantwortung. Die Heilige Schrift ist keine Betriebsanleitung für ein Uhrwerk oder Spielzeug. Sie setzt einen Rahmen, sie zeigt eine Perspektive auf, doch für unser tägliches Entscheiden hat uns Gott ein Gewissen geschenkt. Es ist die Stimme Gottes in uns. Es hilft uns zum rechten Entscheiden, wenn wir es an Gottes Weisungen schulen, wenn wir es durch gutes Denken und Tun pflegen. Darum gibt es göttliches und menschliches Recht. Das kommt auf den Bereich an. „Gebt Gott, was Gott gehört, und dem Kaiser, was dem Kaiser gehört“.

Freilich verläuft hier keine sichtbare Trennungslinie. Es bleibt immer ein Nachdenken: Wo braucht es Tatkraft und entschlossenes Handeln, wo braucht es Demut und Gehorsam? Ganz wie es in einem Gebet heißt: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Dabei ist es immer wieder erstaunlich, welcher Wege sich Gott zu bedienen vermag. Die Erste Lesung aus dem Alten Testament stellt uns den Perserkönig Kyros vor. Durch seine poltische Entscheidung wurden die verschleppten Israeliten aus der Babylonischen Gefangenschaft befreit. Sie durften heimkehren. Doch als glaubende Menschen erkennen sie darin Gottes Spuren, sein machtvolles Handeln. So deutet es der Prophet Jesaja: „Außer mir gibt es keinen Gott“, spricht der Herr. Überall sehen wir seine Spuren. In jedem Menschen, der seinem Gewissen folgt, will Gott handeln. Ebenso braucht es den menschlichen Willen, mit Herz und Hand zu helfen und das Gute zu tun. Unser Beten und Bitten an Gott darf erst dort ansetzen, wo wir das Unsere getan haben. Vorher hilft er nicht. Seine Schöpfung ist kein Uhrwerk. Gott hat den Menschen zu seinem Mitarbeiter erwählt, er hat nur unsere Hände, nur unsere Füße, nur unseren Mund in dieser Welt.

Umso wichtiger ist die Schulung unseres Gewissens am Guten, damit wir aufmerksam bleiben für Gottes Stimme, damit wir recht entscheiden und handeln. Dabei können wir beten: Herr, sende uns deinen Geist. Schenke uns den Mut und Schaffenskraft, wo wir die Welt menschlicher machen können. Schenke uns Gelassenheit, zu tragen, was wir nicht zu ändern vermögen. Und schenke uns die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Amen.

18.10.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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