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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Gründonnerstag

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, üblicherweise verwenden wir für die heilige Kommunion kleine, runde Hostien. Aus praktischen Gründen sind die Brotstücke dadurch bereits „portioniert“. Unter den verschiedenen Verben, mit denen die Evangelisten und der heilige Paulus von Jesu Handeln beim Letzten Abendmahl erzählen, kann leicht eines davon untergehen, obgleich sie allesamt wichtig sind. Fünf Verben hat die Kirche aus dem Neuen Testament in ihr Eucharistisches Hochgebet übernommen: So spricht der Priester bei der Wandlung, dass Jesus das Brot nahm, Dank sagte, das Brot brach, es weiterreichte und sprach.

Im Vordergrund der Betrachtung stehen meist die Deute- oder Einsetzungsworte des Herrn: „Das ist mein Leib für euch…“ Doch auch die kurze Bemerkung, Jesus habe das Brot gebrochen, bevor er es verteilte, ist von Bedeutung. In der frühen Christenheit wurde es sogar als ein Begriff für die gesamte Feier der Messe gebraucht. So ist in der Apostelgeschichte zu lesen, dass sich die Gläubigen von Troas am „ersten Tag nach dem Sabbat“ versammelten, „um das Brot zu brechen“ (vgl. Apg 20,7-12).

Aber weshalb maß man diesem Vorgang eine solche Bedeutung bei? Ging es Jesus nicht vielleicht wie uns, wenn wir kleine Hostien verwenden, bloß um etwas Praktisches? Brot muss man nun einmal schneiden oder brechen, damit die Stücke nicht zu groß sind…

Sowohl der Begriff „Brechen des Brotes“ für die Feier der Eucharistie, als auch die Tatsache, dass bis heute zumindest eine Hostie in einem eigenen Ritus gebrochen werden muss, während wir das Agnus Dei („Lamm Gottes“) singen, spricht gegen eine rein praktische Ursache. Aber was könnte der tiefere Grund sein?

Jesus spricht im Abendmahlsaal nicht nur von seinem Leib und seinem Blut, wenn er Brot und Wein an die Jünger reicht. Er sagt ebenso, dass der Leib hingegeben wird und das Blut vergossen wird. Das eigentliche Geheimnis der Eucharistie lässt sich darum nicht im Abendmahlssaal ergründen, erst auf Golgotha wird es offenbar, wo Jesus seinen Leib vor aller Augen am Kreuz zerbrechen ließ. In der Gestalt des gebrochenen Brotes wird die Liebe sichtbar, die sich ganz verschenkt hat. Im Brechen des eucharistischen Brotes ahnen wir die Größe des Opfers Jesu. Das ist auch der Grund, weshalb der Priester nicht während der Wandlungsworte die Hostie bricht. Es geht ja nicht um ein Nachspielen des Mahles von damals. Erst nach dem Lobpreis der Kirche, wenn also das Brot gewandelt ist, wird der Leib des Herrn gebrochen, damit seine Liebe am Kreuz uns zuteil und zugewandt wird.

Freilich erinnert uns das gebrochene Brot auch an eine weitere Wirklichkeit. Nicht nur der Geber der eucharistischen Gabe wird bezeichnet, sondern in gewisser Weise auch ihre Empfänger. Die Hände, in die der Herr beim ersten Mahl seinen Leib legte, waren die Hände der Jünger, von denen er wusste, sie würden ihn verleugnen und davonlaufen. Und dennoch legt er das Brot in ihre Hände, ja mehr noch er beauftragt sie sogar, in seinem Namen immer wieder das Brot zu brechen „zu seinem Gedächtnis“.

Es sind Menschen mit Brüchen und Schwächen, mit unterschiedlichen Händen – Fischer, Zöllner, Zeloten –, die das Gedächtnis Jesu wachhalten und feiern sollen. Das gilt für die ganze Kirche wie auch für ihre Diener im priesterlichen Amt. Das soll nichts beschönigen und nichts beschwichtigen, was es an Kritik und Vorwürfen gegen unsere Kirche und gegen uns Priester gibt. Man könnte sie verteidigen mit dem Hinweis, dass manche Kritik einseitig oder überzogen ist. Das ist wohl so. Doch damit laufen wir auch Gefahr die Logik der Einseitigkeit selbst zu übernehmen. „Petrus weinte bitterlich“, als der Herr ihn nach seinem Verrat ansah.

Es gab nie, gibt nicht und wird nie eine Kirche ohne Fehler in dieser Welt geben. Und selbiges gilt auch für uns Priester. Diese Brüchigkeit müssen wir anerkennen. Der Herr wusste und weiß um sie. Eben darum hat er selbst unsere Gebrechen auf sich genommen.

Das anzuerkennen ist kein Freibrief, darf keine billige Ausrede sein. Wer wirklich begreift, wie groß die Demut Christi ist, die sich zerbrechen ließ wie das Brot, der kann nur seine Sünde bekennen und muss sich immer neu zum Herrn bekehren. Es bleibt eine lebenslange Aufgabe für jeden Christen, für jeden Priester. Es bleibt ein „Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“. Doch die Kirche lebt nicht aus den Ideen und Großtaten ihrer Mitglieder oder Verantwortlichen. Sie lebt aus der Eucharistie, vom gebrochenen Brot, das der Herr selbst ist für das Leben der Welt. Amen.

14.04.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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