logo pg liborius wagner Stadtlauringen

Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Ostersonntag C

Download Audiodatei der Predigt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, mit bestimmten Begriffen verbinden wir nicht nur eine Einordnung sondern auch eine Bewertung. Das gibt es auch im kirchlichen Leben: Begriffe wie konservativ oder modern, offen, liberal oder traditionell etc. Viele dieser Begriffe wurden zuerst im politischen Leben verwendet. Und in der Weise wie sie dort angewandt werden, sind sie oft auch im kirchlichen Leben in Verwendung. Komplett neu ist das nicht, aber es hat Auswirkungen, wenn diese Einordnungen zu Parteiungen werden, wenn aus der gegenseitigen Ergänzung ein Gegeneinander wird. Und das scheint mit doch eine reale Gefahr zu sein.

Die Kirche ist schon allein aufgrund ihres Alters schwer einzuordnen. Welche Institution gibt es überhaupt in unserem Land, die so alt wäre? Auch die Tatsache, dass in unserer katholischen Kirche Menschen unterschiedlichster Länder, Sprachen und Kulturen Heimat finden, macht einen deutlichen Unterschied zu staatlichen Einrichtungen, Vereinen oder Interessengruppierungen. Die Kirche ist kein Verein neben anderen. Sie will, sie muss etwas anderes sein. Doch was soll sie sein? Und wer legt das fest?

Im Gottesdienst, besonders in der heiligen Messe, schauen wir zur Beantwortung dieser Frage immer wieder auf das Gründungsgeschehen der Kirche. Sie ist ja nicht aus einer Versammlung oder einem Parlamentsbeschluss entstanden. Sie hat einen Gründer, nach dem wir uns bis heute benennen: Jesus Christus. Er sammelt Menschen um sich, die auf ihn hören, die an ihn glauben, die ihm nachgehen. Ihnen hinterlässt er ein Testament. Doch wie das manchmal auch in Familien vorkommt, gibt es auch Streit um dieses Testament, wie es denn zu verstehen ist und ob es denn wirklich bindend sei, was darin als „Letzter Wille“ steht…

Nun ist es ja so, dass Jesus selbst keine Zeilen aufgeschrieben hat. Vielmehr hat er sein Wort anderen anvertraut. Seine Zuhörer haben die Worte und Taten Jesu aufgeschrieben, um sie anderen und schließlich uns zu überliefern. Das lateinische Wort für „Überlieferung“ lautet „traditio“. Darum ist die Kirche in diesem Sinne immer „traditionell“, denn sie lebt aus der Überlieferung. Wir sind gebunden an die Worte Jesu, der heute zu uns im Evangelium sagt: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Es sind Worte aus dem Abendmahlssaal, also vom letzten Abend im irdischen Leben Jesu, umso kostbarer ist uns dieses Vermächtnis. Eben darum mahnen Barnabas und Paulus in der Apostelgeschichte, dass die Jünger „treu am Glauben festhalten“ sollen. An anderer Stelle schreibt der Apostel: „Ich habe euch weitergegeben, was ist selbst empfangen habe“.

Für diese Weitergabe setzt Paulus in den neu gegründeten Gemeinden „Älteste“ als Leiter ein. „Älteste“ heißen mit dem griechischen Wort „presbyter“, wovon unser deutsches Wort „Priester“ abgeleitet ist. Es gibt also seit den Anfängen der Kirche den priesterlichen Dienst, der die Treue der Überlieferung sicherstellen soll. Dabei geht es um einen Dienst an der Gemeinde, um alles Reden und Tun rückzubinden an die Worte und Taten Jesu. Sie sind unser Maßstab.

Freilich darf man all das nicht verengt missverstehen, so als ob wir hier nur alte Bräuche zu bewahren hätten. Kirche und Glauben gibt es nicht ohne Tradition, weil es sie nicht ohne die Wurzel im Reden und Tun Jesu gibt. Aber Kirche und Glauben gibt es auch nicht ohne Offenheit. „Seht, ich mache alles neu“, sagt der, der auf dem Thron saß. Wir hörten es in der Zweiten Lesung. Der christliche Glauben schöpft in gewisser Weise aus Vergangenem und eröffnet zugleich eine ungleich größere Zukunft – eine Zukunft, die uns der Weg Jesu aufschließt. Er ist hier und heute bei uns, wenn wir sein Testament feiern, die Eucharistie, in der er leibhaft und wahrhaft zu uns kommt. Er will uns auch durch diese Zeit führen. Wenn wir ihm vertrauen, dann haben wir Zukunft, dann finden wir Leben – Leben in Fülle. Amen.

15.05.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

­