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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 6. Ostersonntag

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Krisen werfen Fragen auf: Was ist zu tun? Wie ist zu reagieren? Damit bringen sie nicht unbedingt Neues hervor, vielmehr legen sie Haltungen und Annahmen in uns offen. So kann man es auch gegenwärtig beobachten – ganz dem griechischen Ursprung des Wortes „krisis“ entsprechend, das so viel wie „Unterscheidung“ und „Entscheidung“ bedeutet.

Nun tritt eben bei dem einen eine optimistische Haltung zu Tage im Sinne von: „Wir werden das bewältigen“. Bei einem anderen wird eine zurückhaltende oder sogar ängstliche Haltung sichtbar, die aufgrund der Verunsicherung zur Zurückhaltung neigt. In Reinform treten solche Haltungen freilich selten zu Tage. Meist kennen wir auch im eigenen Herzen ein Schwanken zwischen beiden Haltungen.

Mich bewegt in diesen Tagen sehr die Frage, welche Haltung wir als Christen in dieser Krise zeigen. Was hat die Kirche über Hygienevorschriften und die Verbeugung vor der körperlichen Gesundheit hinaus zu sagen? Die Zweite Lesung dieses Sonntags aus dem Petrusbrief enthält eine Aufforderung. Dort heißt es: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.“

Klar und deutlich ist dieses Schriftwort. Doch wie sieht unsere Antwort aus? Mir scheint dazu eine Gewissenserforschung von Nöten. Ich kann mich fragen: Erfüllt mich Hoffnung? Wenn ja, welche? Und kann ich diese ausdrücken? Habe ich dazu den Mut und die Sprache?

Rollen wir die Fragen von hinten auf. Freilich ist das nie einfach von meinem Innersten zu sprechen. Jesus verspricht uns dazu im Evangelium seinen Geist. Er nennt ihn „Beistand“. Das griechische Wort „parakletos“, das dort steht, meint einen „Anwalt“, also jemanden, der für mich das Wort ergreift. Glauben ist etwas persönliches, besser personales, da es meine Zustimmung, meine Entscheidung fordert. Und doch verwirklicht sich der christliche Glaube nicht im Individuellen. Glaube lebt vom „Du“ – vom „Du“ Gottes, der mich anspricht, auf das ich glaubend antworte. Und Glaube lebt vom „Wir“ – vom „Wir“ der Kirche, über die das Wort vom Glauben überhaupt erst zu mir kommt, vom „Wir“ der Mitglaubenden, die mich stützen. Und eben das ist die Wirkung des Gottesgeistes, der sich so als unser Beistand erweist. Das bezeugt uns die Firmung, von der die Apostelgeschichte spricht, in der Petrus und Johannes die Neugetauften mit der Geistsalbung besiegeln.

Doch fragen wir noch weiter: In welcher Hoffnung bestärkt uns der Heilige Geist? Keiner von uns ist frei von Ängsten. Ich schon gar nicht. Ich bin beispielsweise sehr empfindlich, was körperliche Schmerzen anbetrifft. Ich kann nicht behaupten, dass ich keine Angst vor dem Sterben hätte. Und doch stellt nunmal die gegenwärtige Krise unmissverständlich die Frage, worauf ich meine Hoffnung baue, woraus ich meine Sicherheit beziehe. Und da reicht es eben nicht aus, sich die Hände zu waschen. So sinnvoll das auch ist. Und es reicht nicht aus zu sagen: „Das Wichtigste in dieser Situation ist der Schutz der Gesundheit der Gläubigen“. Denn wir sind und bleiben zerbrechliche und ja auch sterbliche Wesen. Und Gesundheit ist nicht bloß ein körperlicher Zustand. Wenn die Seele krank wird oder Hunger leidet, ist das nicht weniger schlimm, als wenn der Körper leidet. Darum bleibt die Frage: Was ist die Hoffnung, die die Kirche anzubieten hat, von der wir als Christen sprechen?

Legt hier nicht die Krise einen erschütternden Mangel offen? Nein, die Seuche ist keine „Strafe Gottes“ in einem vereinfachenden Sinn, dass ein kleinlicher Gott beleidigt auf einzelne Übertretungen reagiert. Aber hat nicht das Ausmaß der Verunsicherung und Verwirrung, mit der viele Menschen und ganze Gesellschaften auf das Virus reagieren, doch etwas damit zu tun, dass der Glaube als Orientierungshilfe und Anker verloren gegangen ist?

Ich meine das nicht so einfach, dass wir einfach beten müssten und dann würde Gott schon das Problem hinwegnehmen. Das Schicksal Jesu, an das uns der Petrusbrief eindringlich erinnert, der nämlich unschuldig gelitten hat, der nicht verschont wurde, der vielmehr gestorben ist, dieses Schicksal des Gekreuzigten widerlegt eine solche vereinfachte Annahme. Aber die Auferstehung Jesu, die die Mitte und den Grund unseres ganzen Glaubens bildet, sagt uns eine Hoffnung zu, die alle Bedrängnisse und Grenzen dieser Welt aufsprengt! Als Christen ist unsere Hoffnung, dass wir in Gott immer Zukunft haben. Das ist unsere Botschaft. Davon dürfen und müssen wir Zeugnis geben. Denn diese Krise ist nicht die einzige und sie wird nicht die letzte sein. Doch wir kennen den, der nicht davonläuft, der uns durch jede Krise begleiten will, der uns zusagt: „Fürchtet euch nicht, ich habe die Welt besiegt“: Jesus Christus. Wer ihn liebt, der hat Hoffnung selbst in der Verunsicherung, Licht in Dunkel und Krankheit – und Leben selbst im Tod. Amen.

17.05.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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