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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 4. Ostersonntag C

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, „Identität“ ist ein großes Thema unserer Zeit. Vielleicht ist es nicht so neu, wie man meint, aber es ist doch neu in den Fokus gerückt. Wer bin ich, wer sind wir und wodurch wird das definiert…?

Angefacht wurden diese Fragen durch verschiedene Bewegungen. Zum einen ist es die gewachsene Mobilität von Menschen. Früher verbrachten die meisten Menschen ihr ganzes Leben dort, wo sie geboren wurden. Somit war klar, was man unter Heimat, Zugehörigkeit oder Nationalität verstand. Heute sind viele Menschen beweglicher aufgrund von Ausbildung und Beruf, aufgrund von Flucht und Migration… Auch andere Bewegungen stellen Identität infrage wie die „Gender-Ideologie“, die infragestellt, ob es überhaupt eindeutig sei, dass ich Mann oder Frau bin, oder sagt, dass man auch etwas anderes sein könnte… Auch kirchlich ist manches in Bewegung. Vertraute Orte, Zeiten und Formen des Gottesdienstes haben sich vielfach verändert aufgrund der geringeren Zahl von Teilnehmern und Priestern. Es ist nicht mehr so „selbstverständlich“ wie früher, dass jemand Christ ist, nur weil er hier wohnt…

Umso mehr suchen Menschen nach Identität. Denn Identität hat etwas damit zu tun, dazu zu gehören, beheimatet zu sein, Sicherheit zu haben. Doch wie entsteht das? Das Wort „Identität“ stammt ab vom lateinischen Wort „idem“, was so viel bedeutet wie „derselbe“/„dasselbe“. Es hat also etwas mit Übereinstimmung, mit Zustimmung zu tun. Eben von einer solchen „Identität“ spricht auch der Herr im Evangelium. „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir“, sagt Jesus. Christliche Identität hat also unverzichtbar damit zu tun, den Herrn und seine Stimme zu kennen. Es gibt freilich auch andere Lebensmodelle, doch zum christlichen gehört immer die Verbundenheit mit Christus. Es geht ja darum ihm nachzufolgen, seinen Spuren nachzugehen, ihm immer ähnlicher zu werden. Das ist die Berufung eines jeden Getauften. Und das ist die Berufung derer, die im geistlichen Dienst wirken, für die wir am Gute-Hirte-Sonntag besonders beten.

Das auf Jesus Hören ist schwieriger als es zunächst klingt. In der Ersten Lesung aus der Apostelgeschichte wird es sogar zu einem Unterscheidungskriterium. Paulus und Barnabas sprechen vom Evangelium, und plötzlich teilt sich die Zuhörerschaft. Die einen nehmen das Wort an, die anderen nicht. Und diese Unterscheidung verläuft nicht dort, wo man sie zunächst erwartet hätte. Heiden gehören auf einmal dazu, einige Juden nicht. In das Volk Israel wird man hineingeboren. Es ist keine Entscheidung. Und so sind sich einige sicher, dass sie allein durch ihren Geburtsort, durch ihre Familienzugehörigkeit schon auf der richtigen Seite stehen. Doch das ist nicht so. Es braucht die immer neue Entscheidung, den Glauben anzunehmen und zu leben. Auch in unserem Land meinen viele: Hier sind wir doch alle irgendwie „christlich“… Aber ist dem so? Auch in der Kirche meinen das manche, dass alle irgendwie dazugehören. Ich will niemanden ausschließen. Doch Christsein braucht einen konkreten Ausdruck in meinem täglichen Handeln.

Dieser Weg ist nicht einfach. Die Lesung aus der Offenbarung spricht von den Freunden Jesu, als von denen, „die aus der großen Bedrängnis kommen“. Christsein ist manchmal auch eine Anstrengung, nicht den „einfachen“ Weg zu gehen, nicht alles mitzumachen oder alles gutzuheißen… Es bringt manchmal Widerspruch ein, weil wir nicht „identisch“ sind mit dieser Welt, wenn wir versuchen, uns Jesus immer mehr anzugleichen. Doch es ist der Weg zu Sieg. Das Lamm hat gesiegt am Kreuz. Und das Lamm wird uns „zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt“. Wer ihm vertraut, hat Anteil an seinem Ostersieg, wie wir eingangs gebetet haben: „Geleite auch die Herde, für die Christus sein Leben dahingab, aus aller Not zur ewigen Freude“. Amen.

08.05.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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