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pdfGebet am Karfreitag

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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Karfreitag

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

in diesen Tagen wird häufiger als sonst von „Helden“ gesprochen. Menschen, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder in Supermärkten arbeiten, werden öffentlich erwähnt. Man dankt ihnen. Das ist gut und richtig. Gleichzeitig ist es erstaunlich, dass es offenbar eine Krise braucht, damit viele bemerken, wie abhängig wir von anderen und voneinander sind. Keiner hat sich selbst in dieses Leben gerufen, keiner hat selbst alles erreicht oder geschaffen, von dem er lebt. Jeder lebt auch von dem, was andere für ihn tun. Jeder kann auch etwas einbringen, von dem andere leben.

Wir sehen die Kostbarkeit des Lebens. Wir sehen aber auch die Kostbarkeit des Dienens, des Sich-zur-Verfügung-Stellens, des Teilens und Gebens.

In der Mitte des Karfreitags steht das Kreuz. Jesus ist am Kreuz gestorben. Seine Hingabe, sein Für-andere-Sein, sein Opfer ist die Quelle unserer Hoffnung. Doch wie soll man das verstehen, ist doch der Begriff „Opfer“ oder der Gedanke, dass Jesus „für uns“, also „stellvertretend“, gestorben ist, mindestens ebenso fremd, wie es der Blick für die vielen Dienstleistenden in unserem Alltag bislang oft war.

Ich habe in den letzten Tagen erneut ein Büchlein der katholischen Dichterin Gertrud von le Fort (1876-1971) gelesen. Es heißt „Die Letzte am Schafott“ und handelt von den seligen Karmeliterinnen von Compiègne, die in den Wirren der Französischen Revolution im Jahr 1794 der verhetzten Menge zum Opfer fielen, die auf dem Schafott ermordet wurden, weil sie ihren Ordensgelübden treu blieben.

Die Schriftstellerin versucht die Gedanken der Ordensfrauen und ihre Motivation zu diesem „Sühnopfer“ zu ergründen. Zunächst ermuntert eine der Schwestern die anderen, heroisch vorab ein Gelübde zu tun, sich bereitwillig zu opfern für die Erhaltung der Religion in ihrem Vaterland. Doch werden den Karmeliterinnen Zweifel und Anfechtungen an diesem Vorhaben nicht erspart. Ihnen wird die Todesangst Christi, seine Agonie im Garten Getsemani nicht nur vor Augen gestellt, sie durchleiden sie am eigenen Leib. Gleichsam ein „Opfer ohne Hoffnung“, heißt es, wird von ihnen verlangt – bedingungslos, nur für Gott, ohne Ruhm – im Gegenteil von der Menge verachtet, ohne Heroismus, ein „Opfer der reinen Liebe“.

Als die Nonnen zum Schafott geführt werden, singen sie das Veni creator spiritus („Komm, Schöpfer Geist“) und doch können sie nicht ahnen, ob mit ihrem Tod nicht nur der Gesang, sondern auch der Glaube verstummt. Er ist es nicht.

Wir haben eine bestimmte Vorstellung vom Tod Jesu. Die Johannes-Passion, die wir am Karfreitag hören, stellt uns einen souveränen Jesus vor Augen. Doch nicht um die Leiden zu verschweigen, sondern um die Freiheit seiner Liebe zu betonen.

Jesus ist nahezu verlassen gestorben. Seine Jünger hatten sich aus dem Staub gemacht, einige Frauen waren geblieben. Dieselben Menschen, die ihn wenige Tage zuvor noch bejubelt hatten, rufen nun „Ans Kreuz mit ihm“ und verspotten ihn. Der Heiland setzt sich aller Enttäuschung aus, die es zwischen Menschen geben kann durch Treubruch, durch Rücksichtslosigkeit, durch Übersehen-Werden… Ausdruck dessen ist sein Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Doch Jesus ist bereit, sich zu verschenken, damit wir das Leben haben. Nicht von anderen fordert er Verzicht und Opfer, er selbst gibt sich – in frei geschenkter Liebe. Nur diese Gabe vermag unseren Hunger nach Leben zu stillen.

Wir können uns dem nur in Analogien und Abbildern nähern: Eine Mutter, die ihre Bedürfnisses zurückstellt und ihre Kinder tröstet, sie anhört, für sie da ist, schenkt wahrhaft Leben. Ein Mensch, der einem Kranken die Hand hält, der eine schwere Stunde mit aushält, schenkt Leben, selbst, wenn der Kranke sterben muss. Jesus hat nicht nur eine bestimmte Zeit, nicht nur einen Teil von sich gegeben. Er hat alles gegeben. Und weil er Gott ist, wurde uns dadurch das ewige Leben geschenkt. Dafür wollen wir ihm danken – heute am Karfreitag und immer wenn wir das Kreuz sehen. Amen.

10.04.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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