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Predigt von Pfarrer Daigeler in der Christmette

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, es gibt viele Dinge, die man, obwohl sie schön sind, leicht übersieht, weil sie klein, leise oder unscheinbar sind, weil sie uns selbstverständlich oder alltäglich vorkommen. Manche Menschen gehen bewusst wandern oder pilgern, um die Schönheit der Schöpfung wahrzunehmen, die wir in der Geschwindigkeit des Autos oft übersehen: Ein beeindruckender Sonnenaufgang, eine frische Blüte, ein Bildstock am Weg… Anderen fällt erst auf, wenn jemand aus der Familie krank wird oder ausfällt, dass er oder sie nicht selbstverständlich ist. Oft fällt es uns dann erst auf, wenn etwas im Haushalt an Sorge und Aufmerksamkeit wegfällt. Wir nehmen vieles an und meinen, es sei selbstverständlich auch in der Gemeinde, in Vereinen, in der Familie oder in unserer Kirche…

Das Ereignis, um das sich alles in dieser Heiligen Nacht drehen sollte, ist laut den Worten des Evangelisten Lukas von den Meisten übersehen worden. So sehr waren sie von ihrer üblichen Geschäftigkeit eingenommen, dass sie Maria und Josef weiterschickten. Vor den Toren der Stadt Betlehem, dort, wo sonst nur das Vieh Unterstand findet, kommt der Heiland zur Welt. Nicht laut, nicht spektakulär – vielmehr ganz leise und bescheiden, obgleich es doch ein weltbewegendes Ereignis ist, wie der heilige Paulus sagt: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.“

Der Retter aller Menschen kommt zur Welt. Und das ist ein Ereignis, das übersehen wird. Doch nicht ganz. Es gibt auch die, die sich Zeit nehmen hinzuschauen. Es sind einfache Menschen, Hirten, heißt es im Evangelium. Sie „halten Nachtwache“. Sie sind es gewohnt, wache Ohren zu haben, ob sich da Gefahr für ihre Herde anschleicht. Sie brauchen wache Augen, um zu sehen, wo gute Weide zu finden ist für ihre Schafe. Darum dürfen sie als Erste den neugeborenen König sehen – in der Krippe liegt das Kind. Sie teilen die stille Freude der Heiligen Familie. Sie hören die Frohe Botschaft, die die Engel verkünden: „Fürchtet euch nicht!“

Im Lärm dieser Tage, in der Fülle der Nachrichten, im Stress des Alltags können wir leicht die kleinen, aber entscheidenden Dinge übersehen. Leicht überhört man die Worte: „Fürchtet euch nicht“ und die Verunsicherung steigert sich weiter und weiter. Schnell ist man an der Krippe vorbeigegangen. „Das habe ich doch schon alles gesehen“, meinen wir. Und die Freude des Glaubens nimmt ab.

Weihnachten ist eine große Einladung, sich Zeit zu nehmen dankbar hinzuschauen und hinzuhören: auf die vielen Zeichen der Güte, die ich in meinem Alltag immer wieder empfangen darf; auf die vielen schönen Dinge, die mir trotz allem Belastenden immer wieder geschenkt werden; auf die Freude, von der die Engel künden: „Heute ist euch der Retter geboren.“

Ja, Glauben lernen hat viel zu tun mit dem Sehen und Hören Lernen. Das braucht Geduld und Ausdauer. Doch es lohnt sich. Wie sich erst durch das rechte Sehen und Hören die Schönheit der Welt erschließt, so ist es auch mit dem Glauben. Er öffnet mir Augen und Herz für eine größere Welt. Darum ist Jesus Mensch geworden, dass er unsere Blindheit und Taubheit heilt, damit er uns „Wunderbarer Ratgeber“ und „Fürst des Friedens“ ist.

Schauen wir in die Krippe, damit wir gerade in einer Zeit der Verunsicherung IHN nicht aus dem Blick verlieren. Wenn wir in die Krippe schauen, sehen wir den Heiland, der sagt: „Ich bin immer bei euch!“ Amen.

24.12.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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