Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Sonntag im Jahreskreis C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wenn wir beispielsweise einem Kind versuchen zu erklären, warum es richtig ist, an Gott zu glauben, dann wird oft gesagt: Es ist gut, dass „da oben“ jemand auf dich aufpasst. Gott, eine Art „höhere Macht“, die es gut mit uns meint und gleichsam die Hand dazwischen hält, bevor mir etwas passiert… Oder wenn ein Bekannter über den Austritt aus der Kirche nachdenkt, dann werden ihm auch kirchliche Verantwortungsträger sagen, dass die Kirche doch so viele Sinnvolles und Gutes tut: Krankenhäuser, Kindergärten, soziale Einrichtungen…
Sicher sind diese Begründungen gut gemeint. Sie enthalten ja auch Richtiges. Und manchen werden Sie ausreichen, darüber steht es mir nicht zu zu urteilen. Doch offenkundig überzeugen sie immer weniger Menschen, wie es nahezu jeder beobachten kann. Warum ist das so?
Ich meine, es hat damit zu tun, dass wir die ganze Sache sozusagen auf den Kopf gestellt haben. Sinnvoll erscheint nur mehr etwas, von dem ich einen praktischen Nutzen oder einen Vorteil habe. Doch dafür brauche ich weder den Glauben noch die Kirche. Es gibt unzählige Menschen, die leben gar nicht schlecht, ohne darauf zu vertrauen, dass eine höhere Macht sie schützt. Oder die engagieren sich in den zahlreichen sozialen Einrichtungen, die aus anderen weltanschaulichen Motiven aktiv sind.
Eine „praktische“ Begründung für Gott oder für die Kirche trägt nicht mehr. Zum einen, weil keiner mehr einen gesellschaftlichen Vorteil davon hat, in die Kirche zu gehen. Und zum anderen oder sogar vor allem deshalb, weil sie Gott nicht gerecht wird.
In den biblischen Lesungen dieses Sonntags begegnen uns verschiedene Berufungsgeschichten. Menschen erfahren in ihrem Leben, wer Gott wirklich ist. Und diese Erfahrung überwältigt und erschüttert sie. Gott ist größer als unsere Bilder und Erklärungen. Jesaja schaut in den Himmel. Er sieht die Herrlichkeit Gottes. „Heilig, heilig, heilig“, rufen die Engel, wie auch wir es in jeder Messfeier vor der Wandlung singen. Jesaja erschrickt: „Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich…“ Ähnlich geht es dem Petrus nach dem reichen Fischfang. „Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch“, hörten wir im Evangelium. Und Paulus sagt es noch drastischer, wenn er von sich als „gleichsam der Missgeburt“ spricht, weil er die Christen verfolgt hat und nun vom Herrn zum Apostel berufen wurde.
Wenn es wirklich Gott ist, von dem wir in der Kirche reden und nicht nur ein Chiffre oder ein netter Kalenderspruch, dann ist er immer der Größere, der Allmächtige, der weder „nützlich“ noch „zweckmäßig“ ist, sondern der, dem man nur mit Anbetung, Ehrfurcht und Gehorsam angemessen begegnen kann. Erst diese Erfahrung, dieses Bekenntnis führt zum wahren Glauben. Das wach zu halten, das zu bezeugen, ist die eigentliche Aufgabe der Kirche. Ansonsten braucht man sie nicht.
Jeder Christ wie auch jeder, der sich zu einem besonderen Dienst oder Amt in der Kirche berufen weiß, muss stets dieses Wissen bewahren: Herr, „ich bin ein sündiger Mensch“. Keiner hat es verdient, keiner hat ein Recht darauf. Doch dürfen und müssen wir uns ebenso die andere Seite sagen lassen: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen…“
Gott ruft uns aus Liebe. Seine Barmherzigkeit ist immer größer als unsere Schwachheit. Aus seinem Erbarmen will er, dass konkrete Menschen für ihn das Wort ergreifen, Träger seiner Botschaft werden, Zeugen seiner Gegenwart sind. Oft sind es nur wenige, die antworten: „Hier bin ich, sende mich!“ Immer sind es schwache Menschen, „zerbrechliche Gefäße“, wie es Paulus an anderer Stelle sagt.
Wichtig ist, dass uns beides gleichermaßen im Gedächtnis ist, sonst wird es schief: Ja, wir sind Sünder, doch wir sind gerufen. Ja, wir sind schwach, doch wir brauchen uns nicht zu fürchten, wenn wir auf den Herrn vertrauen. „Nicht unüberlegt“ oder leichtfertig haben wir den Glauben angenommen. Nein, das Evangelium ist der „Grund, auf dem wir sicher stehen, solange wir an dem Wort festhalten, das uns vom Herrn überliefert wurde. Amen.
06.02.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler