Zum Erntedankfest
Neben den wunderbar geschmückten Erntealtären in den Kirchen unserer Pfarreiengemeinschaft luden auch die biblischen Lesungen des 27. Sonntag im Jahreskreis (A) zum Nachdenken über das Geschenk des Lebens, das wir von Gott anvertraut bekommen haben, ein. Hier die Predigtgedanken von Pfarrer Daigeler:
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, viele Christen feiern an diesem Sonntag Erntedank. Aber für mich ist nicht so ganz klar, was wollen wir mit diesem Fest aussagen?
Manche weisen zu Recht darauf hin, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass wir ausreichend zu essen haben. Dafür müsse man dankbar sein. So richtig das ist, so wenig hat es mit unserer realen Haltung zu tun. Theoretisch wird dem keiner widersprechen, aber praktisch ist nach mehr als 50 Jahren im Wohlstand Hunger keine vorstellbare Situation für uns, auch wenn es das für viele Menschen auf der Welt ist.
Andere lenken den Blick auf die Landwirtschaft. Am besten noch versehen mit einer Note zur Ökologie, damit die Belehrung vollständig ist. Doch in einer arbeitsteiligen Welt verdanken wir keiner einzelnen Berufsgruppe mehr als einer anderen. Und die Vorstellung, dass das, was auf den Feldern um unseren Ort wächst, etwas mit dem zu tun hat, das wir dem Regal im Supermarkt entnehmen, scheint mir recht vereinfacht zu sein.
Letztlich bleibe ich bei der Frage hängen: Was hat das alles mit Gott zu tun? Schließlich muss es doch um ihn gehen, wenn wir „Gottesdienst“ feiern. Schauen wir dazu auf die Sonntagslesungen. Sowohl in der alttestamentlichen Lesung als auch im Evangelium begegnet uns eine Haltung, eine Sicht der Welt, die der entscheidende Grund ist, warum „Erntedank“ gefeiert wird. Was ist diese Sicht des Lebens? Im Bild des Weinbergs wird gesagt, dass wir nur in diesen Weinberg gestellt sind als Pächter, als Arbeiter für eine begrenzte Zeit. Wir sind nicht seine Eigentümer. Es ist der „Weinberg des HERRN der Heerscharen“. Die ganze Welt und jedes Menschenleben ist Gottes Eigentum! Er hat uns nur anvertraut, es zu pflegen und zu bewahren und „Früchte zu bringen, wenn es Zeit dafür ist“.
Doch genau an dieser Frage scheiden sich die Geister. Diese Frage macht es den Menschen schwer an Gott zu glauben – an Gott, der mehr ist als eine nette Idee, sondern an den wirklichen und wahren Gott. Viele Menschen meinen heute darüber nach eigenem Ermessen ganz entscheiden zu können, wann und ob ein Mensch entsteht – wie seine Lebensform gestaltet sein kann – sowie wann und wie der Mensch aus dieser Welt geht. So viele unserer Handlungsweisen, gerade am Anfang und Ende des Lebens, legen still und unbewusst offen, dass wir uns selbst als Eigentümer dieses Lebens und dieser Welt ansehen. Darum wird Gott für viele störend, überflüssig oder zumindest belanglos.
Man kann die Welt so sehen. Doch dann ist Erntedank aber nicht mehr als nette Folklore oder ein dekoratives Element. Macht aber diese Haltung den Menschen wirklich freier und froher? Wird er nicht Sklave eines Erwartungsdrucks, alles aus diesem Leben herausholen zu müssen? Betrügen wir uns nicht selbst durch die Verdrängung von Leiden und Sterblichkeit?
„Sorgt euch um nichts“, ruft uns der heilige Paulus zu, „sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott.“ Das ist nicht naiv gemeint. Der heilige Paulus kannte Not und Verfolgung, Entbehrung und sogar Gefängnis. Umso mehr ermutigt er zu einer christlichen Haltung. Und was ist die Frucht dieser dankbaren und betenden Haltung? Was ist die Frucht des Glaubens, der anerkennt: Wir sind nur Verwalter von Gottes Gaben? Der Apostel sagt es deutlich: „Der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ Wo dieser Friede in unserem Herzen wohnt, da ist Gott eingezogen. Wo mir das geschenkt ist, da ist wirklich Grund von Herzen dankzusagen. Amen.
04.10.2020, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler